Montag, 3. November 2014

Einführung

Als der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek 1976 die „Entstaatlichung des Geldes“ forderte, also die Abschaffung des staatlichen Geldmonopols und einen freien Wettbewerb der Währungen, wurde sein Modell nicht besonders ernst genommen. Würde der Staat auf eines seiner mächtigsten Instrumente freiwillig verzichten? Wie sollte so ein Wettbewerb der Währungen praktisch aussehen?

Seitdem hat sich die Welt stark verändert. 1976 war das Internet kaum bekannt und wurde nur vom US-Militär und von einigen Wissenschaftlern benutzt. Computer hatten in der Regel die Größe eines Schrankes und standen bei Großunternehmen und Behörden. Nur ein paar verrückte Hippies wie Steve Jobs und Steve Wozniak, die im gleichen Jahr Apple gründeten, konnten sich vorstellen, dass jeder Mensch einmal seinen eigenen Computer benutzen würde. Die Kryptographie war noch weit davon entfernt, ein von vielen Menschen benutztes Werkzeug zur Sicherung ihrer Privatsphäre zu werden.

Die Wiener (oder Österreichische) Schule der Volkswirtschaft, der Hayek angehörte, war damals beinah in Vergessenheit geraten. Angesichts der Tatsache, dass nur die Vertreter der Wiener Schule sowohl die Wirtschaftskrise von 1929 als auch die von 2007/2008 korrekt vorausgesagt haben, erfreut sich diese staatskritische und auf die Kraft des freien Marktes setzende Denkschule heute gerade bei jungen Leuten wieder steigender Beliebtheit. 

Dank Internet und Verschlüsselungstechnik haben wir im 21. Jahrhundert alle Möglichkeiten in der Hand, um die Vision eines „Geldes ohne Staat“ in die Tat umzusetzen. Doch warum ist es überhaupt sinnvoll und notwendig, dem Staat das Monopol auf die Geldschöpfung abzuringen? Und wie ist dies machbar? Freiwillig werden die Regierungen die Macht über das Geld sicher nicht abgeben. Diese Fragen soll das vorliegende Buch beantworten.

Dabei geht es vor allem um das neue dezentrale Geldsystem Bitcoin, die sicher bekannteste und erfolgreichste nicht-staatliche Währung. Doch Bitcoin ist in vielerlei Hinsicht nur die Spitze des Eisbergs. Seinem Schöpfer Satoshi Nakamoto ist es als Erstem gelungen, ein weltweites Zahlungssystem zu schaffen, das ohne zentrale Institutionen auskommt. Es ist daher schwer angreifbar, kann nicht einfach verboten oder abgeschaltet werden.

So gern Regierungen und Banken diesen unliebsamen Konkurrenten loswerden würden: sie werden es nicht schaffen. Die Klügeren unter ihnen werden daher versuchen, sich mit dezentralen Geldsystemen zu arrangieren und sie so weit wie möglich unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch selbst wenn ihnen das mit Bitcoin gelänge: der Geist ist aus der Flasche. Schon jetzt gibt es viele hundert private dezentrale Währungen, die auf dem Bitcoin-Prinzip aufbauen. Es ist gut möglich, dass nicht Bitcoin selbst, sondern eine oder mehrere seiner Nachfolgewährungen den Wettbewerb gewinnen – und damit die Ära des schädlichen staatlichen Scheingelds beenden.

Die Bitcoin zugrunde liegende Blockchain-Technologie kann aber nicht nur für den Geldverkehr benutzt werden. Jede Art von Einigung zwischen Menschen, ob bei der Übertragung eines Grundstückes, beim Abschluss eines Arbeitsvertrages oder bei der Schließung einer Ehe, kann heute mittels Blockchain ohne staatlich legitimierte Autoritäten erfolgen.

Satoshi Nakamotos Erfindung hat daher das Potenzial, unsere Welt noch viel stärker zu verändern, als es das Internet bereits getan hat. Viele haben dies noch nicht erkannt und sehen Bitcoin lediglich als Spielgeld für Computerfreaks und dubioses Spekulationsobjekt. Man hört über Bitcoin ähnlich viele dumme Vorurteile wie Anfang der Neunzigerjahre über das Internet. Mancher, der damals den Medien geglaubt hat, ärgert sich heute wahrscheinlich, dass er nicht rechtzeitig eingestiegen ist und einmalige Chancen verpasst hat. Es lohnt sich, über Bitcoin Bescheid zu wissen. Und so wenig man das TCP/IP-Protokoll kennen muss, um im Internet zu surfen, muss man kryptographische Algorithmen verstehen, um Bitcoin zu nutzen.

Dieses Buch erklärt das Phänomen Bitcoin – oder genauer: das Phänomen dezentralen, nicht-staatlichen Geldes - für Menschen, die sich weniger für Software und Kryptographie interessieren, als vielmehr für Wirtschaft und Politik. Praktische Tipps für Bitcoin-Einsteiger findet man in den Infokästen. Kurze Interviews mit Bitcoin-Insidern sorgen für Abwechslung. Doch vor allem geht es mir darum, Bitcoin aus Sicht der Wiener Schule kritisch zu betrachten – und das auf leicht verständliche und anschauliche Weise.

2 Kommentare:

  1. Spannend geschrieben und ein interessanter Verweis auf Friedrich August von Hayek.

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  2. That’s a very smart analysis. Bitcoin system may not be totally anonymous, but in some way, a person who creates a transaction can make it anonymous by using tools or software to prevent data trace.
    WhitebitcoinCryptocurrency

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